Historie

Die Geschichte des Balintawak-Stils

Der Balintawak-Stil hat wohl wie nur wenige andere Stile die Welt der philippinischen Kampfkünste dieses Jahrhunderts beeinflußt. Seinen Anhängern haftet der Ruf an, kompromisslose, knallharte Fighter zu sein. Viele Geschichten, Erzählungen und Legenden ranken sich um diesen Stil. Dieser Artikel soll vom wahren Kern dieser Erzählungen, der Geschichte des Balintawak, handeln.

Die Geschichte des Balintawak-Eskrima ist auf ewig untrennbar mit dem Namen seines Begründers, des Großmeisters Venancio „Anciong” Bacon verknüpft, der schon zu Lebzeiten einen geradezu legendären Ruf genoss. Doch um die Entwicklung des Balintawak wirklich verstehen zu können, muss man zunächst die Vorgeschichte, die zu seiner Entwicklung führte, näher beleuchten. Diese beginnt am Anfang dieses Jahrhunderts in Cebu City, der zentralen und wichtigsten Hafenstadt der Visayas. Anfang dieses Jahrhunderts gab es dort drei alteingesessene Kali/Eskrima/Arnis Familienklans: die Illustrissimo, die Romo und die Saavedra. Der Illustrissimo-Stil überlebte bis heute (Es sei nur an den kürzlich verstorbenen Antonio „Tatang” Illustrissimo erinnert). Die Romo gingen teilweise mit ihrem Stil in dem der Illustrissimo auf, so ist z.B. einer der Erben von „Tatang” Illustrissimo ein Romo. Die Saavedra und ihr Stil verschwanden jedoch, zumindest ist heute kein Erbe dieses Stil bekannt. Doch für die Entwicklung des Balintawak-Eskrima spielen die Saavedra eine bedeutende Rolle.

 

 

 

 

 

 

 

Im Jahr 1917 zog der Cãnete-Clan nach Cebu City und brachte seinen Familienstil mit, der allerdings seitdem sehr schnell große Änderungen erfuhr (so sehr, dass Eulogio Cãnete später meinte: „The original system was classical, but it was dull and boring. For the past seven decades, we have been revising and updating the system. It is so much better and different from the original, you wouldn’t believe it came from the same system.”) Zu der Zeit, als die Cãnete nach Cebu kamen, war Lorenzo „Pidring” Saavedra der beste Großmeister des Saavedra Stils. Die Saavedra gründeten 1920 den legendären Labangon Fencing Club. Diese Organisation bestand aus Gruppen von Leuten 6 verschiedener Stile, unter anderem die Saavedra, aber auch die Cãnetes, die mittlerweile mit den Saavedra durch Heirat familiär verbunden waren. Der herausragendste Kämpfer der Saavedra war besagter Lorenzo „Pidring” Saavedra. Er war auch ein ausgezeichneter Lehrer. Zwei seiner Neffen, Timodoro „Daring“ Saavedra und Frederico Saavedra waren die besten Schüler innerhalb seines Klans. Mit Tim und Frederico stand noch ein weiterer Schüler Lorenzo’s auf etwa gleichem Level: Venancio „Anciong” Bacon, der spätere Gründer des Balintawak.

Andere Lehrer von Venancio Bacon sind praktisch nicht bekannt, es ist also sehr wahrscheinlich, daß er zumindest den größten Teil seiner Ausbildung von Lorenzo „Pidring” Saavedra bekam. In dieser Zeit bestanden aber auch Kontakte zwischen Venancio Bacon und den anderen Eskrimadores des Labangon Fencing Club. Außerdem waren Timodoro „Doring” Saavedra und Venancio „Anciong” Bacon sehr eng befreundet.

Mit der Zeit kam es zu Rivalitäten und Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen im Labangon Fencing Club, so daß nach einiger Zeit getrennte Trainingszeiten für die verschiedenen Gruppen eingeführt wurden, um die Mitglieder dieser Gruppen voneinander fern zu halten. Aus dieser Konflikt-Situation heraus gründeten am 12.1. 1932 die Cãnetes ihre eigene Organisation, das Doce Pares. Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch mehrere Saavedra, so war z.B. Lorenzo Saavedra der herausragendste Großmeister und nahm als solcher in der Anfangszeit die öffentlichen Herausforderungen an das Doce Pares an. Später übernahm dies Timodoro „Doring” Saavedra.

Der Rest des Labangon Fencing Club zerfiel weitestgehend. Viele der Mitglieder wollten ins Doce Pares überwechseln, wurden aber abgelehnt, da einige nicht technisch in die neue Methode passten (Standardisierung des Doce Pares Stils), andere wurden aufgrund persönlicher Differenzen abgelehnt und wieder einige hatten wohl eine etwas dunkle Vergangenheit. Einige fanden später noch Aufnahme dort. Venancio Bacon ging ab da seiner eigenen Wege. Er hatte mittlerweile seinen Lehrer Lorenzo Saavedra überflügelt und wollte sich technisch nicht beschränken lassen. So gründete Bacon seine eigene Schule. Diese nannte er aber nicht ursprünglich Balintawak. Der Name Balintawak kam vielmehr daher, daß das Gebäude, in dem Venancio Bacon seine Schule hatte, in der Balintawak Street in Cebu lag. Da es wahrscheinlich anfangs keinen eigenen Namen für diese Schule gab, wurden die Kämpfer, die aus ihr hervorgingen, als die Kämpfer aus der Schule in der Balintawak Street bekannt und bald bürgerte sich dieser Name Balintawak für den Stil selbst ein. Die Straße selbst ist ihrerseits nach der berühmten Balintawak-Schlacht benannt, die zur Zeit Lapu-Lapus stattfand.

Zwischen den Canetes and Venancio Bacon gab es wohl eine aus dieser Zeit resultierende „Antipathie” (Feindschaft wäre wohl zu viel gesagt). Wahrscheinlich war dafür unter anderem verantwortlich, daß wohl einige der Leute aus dem Labangon Fencing Club, denen eine Mitgliedschaft im Doce Pares nicht möglich war, in Venancio Bacons Schule aufgenommen wurden. Außerdem gab es wohl auch einfach etwas Rivalität zwischen diesen beiden guten Schulen innerhalb derselben Stadt. Zu einem Offiziellen Fight zwischen den Schulen kam es aber nicht, wohl auch deshalb, weil Venancio Bacon als Repräsentant des Balintawaks dann gegen seinen Freund Timodoro Saavedra als Repräsentant des Doce Pares hätte antreten müssen.

Timodoro Saavedra fiel im 2. Weltkrieg. Einer alten Erzählung zufolge war sein Ruf als Fighter so gefürchtet, daß von den ca. 12 japanischen Soldaten, die ihn stellten, keiner zu einem offenen, ehrlichen Kampf bereit war (was so manchen Japaner vor ihnen das Leben gekostet hatte). So erschossen sie den umstellten Tiamodoro Saavedra von hinten.

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde Venancio Bacon immer berühmter. Seine Schüler waren dafür bekannt, knallharte, verwegene Fighter zu sein, die viel einstecken und fürchterlich aussteilen konnten. Dieser Ruf der Balintawak Schüler hat sich teilweise bis heute gehalten. Ich trainierte letztes Jahr in Berkeley, California, mit einem ausgezeichneten Lehrer für Tai Chi Chuan, Hsing-I Chuan und Bagua-Chang, der auch Stockkampf von Sonny Umpad gelernt hatte (Sonny Umpad lernte unter anderem auch Balintawak). Während eines freundschaftlichen Bare-Hands Sparrings mit dem Bagua Lehrer bekam ich „eins auf die Nase”, so daß diese leicht blutete. Einer der Umstehenden meinte, ob daß nicht etwas zu hart gewesen sei und noch bevor ich antworten konnte, meinte der Bagua Lehrer lapidar: „Hey, das ist ein Balintawak-Instructor…” (meiner Freundschaft mit dem Bagua-Lehrer schadete dieser Vorfall übrigens nicht im Geringsten).

Der Ruf der Balintawak Schüler gründete nicht nur auf dem legendären Ruf Bacons. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bildete Bacon mehrere exzellente Leute aus, von denen die meisten Langzeit Studenten waren, unter anderem Timoteo Maranga, Jose Villasin, Teofilo Velez und Arnulfo Mongcal. Aus dieser Zeit ergibt sich aber ein großes Problem bei der Rekonstruktion der Verhältnisse. Zunächst einmal unterrichteten die fortgeschrittenen Studenten von Bacon auch untereinander. So ist bekannt, daß z.B. Arnulfo Mongcal auch Stilistiken von Timoteo Maranga erlernte. Jose Villasin, Teofilo Velez and Johnny Chiuten waren zum Beispiel, ebenso wie Remy Presas und einige seiner Verwandten, Schüler von Arnulfo Mongcal. Außerdem erlernten recht viele Leute in der Zeit zwischen 1950 und 1970 Balintawak. Viele, die dort in der Balintawak Street in Cebu trainierten, lernten die meiste Zeit über (manche sogar die ganze) von den fortgeschrittenen Schülern Bacons, wie z.B. Maranga, Mongcal, Villasin. Aber praktisch alle sagen heute von sich, sie seien Schüler von Bacon gewesen, obwohl die meisten von ihnen nur selten von Bacon persönlich trainiert wurden (wenn überhaupt), der sich die meiste Zeit seinen fortgeschrittenen Studenten widmete und diesen die Ausbildung der Anfänger und weniger weit fortgeschrittenen weitgehend überließ. Nur sehr wenige der Balintawak Anhänger aus dieser Zeit sagen offen, daß sie eigentlich Schüler von z.B. Maranga, Villasin oder Mongcal waren und nur in geringem Ausmaß auch mit Bacon selbst trainierten. Bacons Ruf war schon zu dieser Zeit legendär, und so sagte man natürlich, wenn man Balintawak erlernte oder gelernt hatte, man sei ein Schüler Bacons gewesen, egal, von wem man eigentlich Balintawak lernte.

Zusammenfassend läßt sich über diese Zeit wohl sagen, daß sie die Blütezeit der eigentlichen Balintawak Bewegung war und daß sich heute praktisch nicht mehr rekonstruieren lässt, wer bei Bacon den Stil erlernte und wer bei seinen Langzeit-Studenten Balintawak erlernte (oder beides). Die Ausnahmen, die klar Schüler Bacons waren, kann man an zwei Handen abzählen. In jener Zeit gab Venancio Bacon seinem Weg, seiner Methode des Eskrima, die von anderen Balintawak genannt worden war, auch einen Namen: Kuwentada. Meistens wird jedoch einfach der Name Balintawak weiter verwendet, da er sich so eingebürgert hat. Wie die Balinawak Schüler sich weiter entwickelten und welche Einflüsse das Balintawak-Eskrima auf andere Stile hatte, soll später noch näher untersucht werden.

Doch zunächst zu Venancio Bacons letzter großer Leistung. Ende der siebziger Jahre tötete er in einem kurzen Kampf einen Mann, der ihn angegriffen hatte (bei weitem nicht der Erste, aber vielleicht der Letzte). Doch die „alten Zeiten”, in denen so etwas eben einfach hier und da mal passierte, waren vorbei. Venancio Bacon wurde angeklagt, da man von Seiten der Justiz der Meinung war, ein so erfahrener und versierter Eskrimador hätte den Kampf auch beenden können, ohne den Mann zu töten. So kam Bacon, mittlerweile schon ein alter Mann, ins Gefängnis, wo er wohl auch bis zu seinem Tod geblieben wäre.

Aber ein Major der Polizei, dessen Sohn schon vorher etwas Balintawak von Velez erlernt hatte, hörte von Bacons Schicksal. Dieser Major nutzte seine Beziehungen. Irgendwie schaffte er es, Bacon frei zu bekommen. Aus Dankbarkeit entschied sich Bacon, den Sohn des Majors zu unterrichten. Dieser Mann sollte der letzte große Schüler von Bacon werden, sein Name ist Bobby Tapimina. Venancio Bacon wusste, das er wohl nur noch einige Jahre zu leben hatte. Er konzentrierte sich darauf, Bobby Tapimina eine völlig neue Stilistik zu vermitteln. Er wollte ihm wirklich etwas hinterlassen, was ihn von den vielen „Möchtegern” Schülern von Bacon abheben sollte. So schuf Bacon in seinen letzten Jahren einen veränderten Stil. Aus seiner ganzen Lehrerfahrung, Kampferfahrung und seinem gesammelten Wissen heraus formte Bacon ein System, daß in der Lage sein sollte, diejenigen zu schlagen, die nur kurze Zeit oder gar nicht bei ihm gelernt hatten und trotzdem behaupteten, seine Schuler oder besser als er zu sein. Andererseits war dieses System technisch einfacher, da es in kürzerer Zeit als sonst üblich erlernbar sein musste. Außerdem dachte sich Bacon wohl. daß seine „alten“ Langzeit-Studenten, die wirklich längere Zeit von ihm erlernt hatten, mit Sicherheit vergleichbar seien, so daß sein modifiziertes (ihnen unbekannte) System für sie keine Gefahr darstellen würde. Dieses Unternehmen gelang und Bobby Tapimina erbte dieses System von Venancio Bacon. Kurz nachdem Bacon sein letztes System weitergegeben hatte, starb er 1970. Nur wenige in diesem Jahrhundert haben die Welt der philippinischen Kampfkünste so sehr beeinflusst wie Venancio „Anciong” Bacon.

Bisher ging es fast nur um geschichtliches. Doch: Was machte die Balintawak-Bewegung zu dem, was sie war? Woraus resultierte ihre Qualität und der Ruf von Bacon ebenso wie der seiner Schüler? Was zeichnete die Technik aus? Wie wurde Balintawak trainiert? Bacon trainierte seine Schüler mit teilweise brutaler Härte. Mit Bacon zu sparren war mindestens ebenso schmerzhaft wie lehrreich. Blaue Flecken und Prellungen nach dem Training zu haben gehörte zum Alltag. Eine von Bacons Angewohnheiten war z.B. Schlage nur geringfügig abzustoppen. So gab es nie Zweifel beim Schüler, ob ein Schlag getroffen hätte oder nicht. Er traf und damit waren alle Zweifel und Argumentationen hinfällig! Wenn es sich um Kopftreffer handelte, hatte Bacon eine besondere Angewohnheit. Da er Kopftreffer nicht so hart durchziehen konnte (-> zu viele Platzwunden) wie Körpertreffer, schlug er mit besonderer Vorliebe leicht die Nasenspitze und die Ohrläppchen seiner Schüler an. So hatte mancher nach dem Training, wunderlich blaue Ohrläppchen und eine wunderlich blaue Nasenspitze. Auf diese Weise trainierte Bacon auch seine Treffgenauigkeit. Die eine seiner herausragenden Fähigkeiten war. Außerdem muss Venancio Bacons Schlagkraft und Geschwindigkeit enorm gewesen rein. Arnulfo Mongcal berichtete einmal, wie er dabei stand als Bacon einen Blecheimer nahm, mit Wasser füllte, auf eine Mauer stellte und dann mit der bloßen Hand, geformt wie für einen Handkantenschlag, mit den Fingerspitzen die Wand des Eimers durchstieß.

Venancio Bacon sagte von sich, daß er auf jeden möglichen Angriff 36 verschiedene Konter parat habe. Von diesen 36 verschiedenen Möglichkeiten nahm er 12 mit in sein Grab. Er gab nur 24 seiner Methodiken weiter. Hieraus leitet sich eine weitere Charakteristik des Balintawak ab. die technische Vielfalt. Venancio Bacon trainierte seine fortgeschrittenen Studenten vorwiegend im Sparring 1:1, was verbunden mit der technischen Vielfalt des Systems zu einer ungeheuren reaktiven Anpassungsfähigkeit führte. Selbst bei dem Schüler unbekannten Techniken reagierte dieser sehr schnell mit einer vielleicht nicht idealen, aber zumindest adäquaten Gegentechnik, da er es gewohnt war, ständig mit allen möglichen Varianten malträtiert zu werden. Es galt: „Bahala na” Obwohl Balintawak-Eskrima auf allen Kampfdistanzen arbeitet, hat es doch eine starke Ausrichtung auf die kurze Distanz, auch Colse Quarters oder Infighting genannt. Das Infighting war eine weitere von Bacons Spezialitäten.

Die Balintawak Techniken gehorchten vor allem einem Prinzip: Effektivität. Ein Zitat eines der größten Schüler von Bacon, Timoteo Maranga, drückt dies vielleicht am klarsten aus: „We avoid and have eliminated the old practice of twirling the stick unnecessarily. Such wasteful and impractical movements only create openings and weakness in your defense. Such habits have no place in combat und only waste energy.” So paarte sich technische Vielfalt mit absoluter Rationalität, Schmerz-Toleranz mit dem Bahala-Na-Gefühl und dies alles mit atemberaubender Geschwindigkeit. Das machte Balintawak zu dem was es war. Um wieder Maranga zu zitieren: „This kind of Eskrima is not for sports or competition. It is meant for combat.”

Gleichzeitig war es diese oberste Regel der Effektivität, die die weitere Entwicklung des Balintawak beeinflussen sollte. Bacons große Schüler bewahrten nicht einfach, das, was sie gelernt hatten. Sie entwickelten es weiter, um es effektiver zu machen und der Weiterentwicklung anderer Stile und Kampfkünste Rechnung zu tragen. So sagte z.B. Maranga: „Like any other weapon of war, we must constantly seek for improvement in application and effectiveness. We must therefore keep refining, modifying and improving our art.” Deshalb gibt es heute nicht mehr das Balintawak, das Bacon in den 60er Jahren lehrte. Auf einige der Beispiele dieser Weiterentwicklung einzugehen, zeigt, wie sehr Balintawak viele Stile beeinflusst hat.

Eine Vereinfachung des Original-Kuwentada stellen die Stilrichtungen von Teofilo Velez und Jose Villasin dar. Man schränkte die technische Vielfalt ein, um das System leichter erlernbar und schneller ausführbar zu machen. Auch Velez und Villasin entwickelten selbstverständlich ihre Systeme weiter. Ein Schüler der beiden. der auch von Timoteo Maranga, Arnulfo Mongcal und Vcnancio Bacon lernte, ist Johnny Chiuten. Bevor er Balintawak lernte, hatte er schon Kenntnisse in Tai Chi Chuan, Kung Fu und Aikido erworben. Ursprünglich wollte er den Doce Paris Stil erlernen, doch Momoy Cãnete verhinderte seine Aufnahme (nach Johnny Chiutens Aussage) und so entschied er sich für Balintawak Nachdem er Balintawak gelernt hatte, traf er Filemon Caburnay und die beiden taten sich zusammen, um Caburnays Arnis-System mit den Kung-Fu Steptechniken von Chiuten zu verbinden, es entstand Arnis de Abanico. Auf diesem Weg über Johnny Chiuten haben auch Balintawak Techniken dorthin gefunden.

Auch Timoteo Maranga entwickelte sein Wissen weiter. Nach Bacons Tod nannte Maranga den Stil Super-Kuwentada. Sein Sohn Rodrigo wurde sein Schüler und so lebt eine weitere Linie des Balintawak weiter.

Auch ein weiterer der großen Schüler Bacons, Arnulfo Mongcal entwickelte seine eigene Linie des Balintawak. Er konzentrierte sich dabei weitestgehend auf das Infighting. Da unter seinen Studenten auch Chinesen waren, bekam er auch mit Kung Fu Techniken Kontakt, die er teilweise in sein Bare-Hand System integrierte. Durch seinen Vater und auch durch Timoteo Maranga hatte Arnulfo Mongcal auch gute Kenntnisse in Dumog, die er sowohl in sein Bare-Hands System integrierte als auch in seinen Stockkampf. Außerdem kannte Mongcal auch die Doce Pare Technik, da eine Frau mit den Cãnetes verwandt ist und Mongcal ein guter Freund von Ciriaco Cãnete ist. Was für Mongcal technisch ein Vorteil war, bedeutete andererseits einen Nachteil. Er gehörte nicht zum Doce Pares, aber nahm Rücksicht auf es. Er gehörte zu Balintawak aber dort brachte ihm seine Beziehung zum Doce Pares mit der Zeit Probleme. So stand er immer zwischen den Stühlen.

Mongcals extrem rationale und kompromisslose Art des Infightings brachte ihm unter Insidern einen entsprechenden Ruf und außerordentlichen Respekt ein, auch wenn er international nie zu großer Bekanntheit kam. Es gibt die Geschichte. daß einigen Leuten, die sich mit der Balintawak Schule anlegen wollten, allen Ernstes geraten wurde, lieber Venancio Bacon als Arnulfo Mongcal herauszufordern! Dieser Rat wurde aus der Einschätzung heraus gegeben, daß zwar beides purer Selbstmord wäre, aber gegen Bacon zu kämpfen wenigstens der, schnellere und angenehmere Tod sei…

Zu den Schülern von Arnulfo Mongcal zählt z.B. Remy Presas, der Gründer des Modern Arnis. Auch der Deutsche Uwe Schwarz lernte ein paar Tage von Mongcal. Aber Mongcal lehrte nur seinen Nachfolger „seine” Erweiterungen des Balintawak vollständig. Außergewöhnlich ist, daß Arnulfo Mongcal einen Europäer und damit Nicht-Filipino zu seinem Nachfolger machte, nämlich den Deutschen Toni Veeck. Nachdem Arnulfo Mongcal über Jahre hinaus Toni Veeck sein gesamtes Wissen weitergegeben hatte, erklärte er Toni Veeck Anfang der 90er Jahre zum Großmeister und einzigen Erben seines Stils. Wer die philippinische Mentalität kennt, weiß, wie außergewöhnlich ein solcher Entschluss war. Nachdem Mongcal seine Methode an Toni Veeck weitergegeben hatte, zog er sich zurück und unterrichtet heute nicht mehr, was ihm leider seit einem schweren Schlaganfall vor einigen Jahren auch nicht mehr möglich wäre. Arnulfo Mongcal gründete mit Toni Veeck und dessen Schwiegervater, Visayo Balinado, das New Conccpt of Philippine Arnis (NECOPA). Nachdem Mongcal nicht mehr unterrichtet, ist Toni Veeck heute der einzige aktive Originator des NECOPA-Stils, der vollständigen Methode und Technik von Arnulfo Mongcal. Der New Concept of Philippine Arnis Association sind schon bei der Gründung einige weitere Balintawak Lehrer und Schüler von Mongcal beigetreten und auch Bobby Tapimina, der Erbe von Bacons letztem System, ist dieser Organisation mittlerweile beigetreten. Bei einem freundschaftlichen Sparringsmatch zwischen Toni Veeck und Bobby Tapimina stellte sich übrigens, 20 Jahre nach Bacons Tod heraus, daß dieser mit der Konzeption seines neuen Systems Recht behalten hatte: Der Methode seines alten Schülers Mongcal war Bacons letztem System, mittlerweile auch in harten Kämpfen erprobt, ohne weiteres vergleichbar.

Abschließend lässt sich sagen, daß zwar das alte Original-Balintawak / Kuwentada nicht überlebt hat. Aber es fand indirekt Eingang in so viele andere Stile wie kaum ein anderer (die oben angeführten Stile sind nur Beispiele und die Liste ist weit davon entfernt, vollständig zu sein). Und die alten Schüler von Venancio Bacon haben ihr Erbe weiterentwickelt nach den Gesichtspunkten, die ihnen ihr alter Lehrer im wahrsten Sinne des Wortes „eingebläut” hat. So kann man vielleicht sagen, daß auf diese Weise Balintawak überlebt hat – denn Vcnancio Bacon, der seine Stilistiken sein Leben lang weiterentwickelte, hätte bestimmt nicht gewollt, daß seinen alten Schülern durch Stillstand das verlorengeht, wofür er und Balintawak standen: absolute Effektivität und Kreativität im wirklichem Kampf.

Autor: Markus Wetzstein, 5. Instructorgrad New Concept of Philippine Arnis
Erschienen im „El-Juramentado“, Ausgabe 2000

Balintawak-Street, Cebu City, Philippinen